29. Ingelheimer Tagung des BDK vom 19. – 21. Mai 2009
Kunst im Dienste der Politik

Eine Zusammenfassung der Beiträge der Fortbildungsveranstaltung
von Dr. Ulrich Kuballa

Unter dem Titel „Die visualisierte Meinung der Mächtigen – Kunst im Dienste der Politik“ fand die alljährliche Weiterbildungsveranstaltung des BDK – Fachverband für Kunstpädagogik, im Haus der Fridtjof-Nansen-Akademie in Ingelheim statt (18. bis 20. Mai 2009). Dem bewährten Konzept folgend zeigte die Tagung auch in diesem Jahr an vielfältigen Beispielen die Berührungspunkte und Wechselwirkungen von Kunst und Geschichte.

In der Einführung zur Tagung präsentierte Prof. Dr. Dietrich Grünewald (Universität Koblenz-Landau) eine Reihe von Wahlplakaten aus verschiedenen Abschnitten der jüngeren deutschen Geschichte, die unterschiedliche politische Intentionen offenbarten. Anschließend wurden an Herrschaftsbildern im Zeitraum von Archimboldo bis Immendorff formelhafte Bildtraditionen ablesbar, die auch offen legten, wie weit sich Künstler mit den Intentionen ihrer Auftraggeber identifizierten bzw. sich ihnen unterordneten.

Dieses Thema der Tagung griff Prof. Dr. Dominik Bartmann auf (Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin). In seinem Eröffnungsvortrag befasste er sich mit „Anton von Werner: Der Preußen Glanz und Gloria – Reichsgeschichte in Bildern“. An Werners Historienbildern, die bedeutende Ereignisse der preußischen Geschichte zum Thema hatten, insbesondere an verschiedenen Bildvarianten zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles, konnte Bartmann eindrucksvoll aufzeigen, wie unterschiedliche Malanlässe dasselbe geschichtliche Ereignis unterschiedlich erscheinen lassen. Mit geschichtsbildender Wirkung. So produziert ein Bild mit der Zeit eine neue Wirklichkeit, wenn es – trotz offensichtlicher inhaltlicher Verzerrungen – durch intensive mediale Verbreitung zur Ikone für die staatsrechtliche Geburt des Kaiserreichs wird. Das ist z.B. der Fall, wenn es als unkommentierte Illustration zum Thema Reichsgründung in Geschichtsbüchern und Lehrwerken Verwendung findet und dann in der Erinnerung des Lesers selbst zur originären Geschichtsdarstellung und –erfahrung wird, trotz geschichtlich falscher Inhalte.

Um die Wirkung von Bildern und Objekten, die durch ihre Medienpräsenz eine ikonenhafte und z.T. manipulierende Visualisierung von Politik übernehmen, ging es auch im Vortrag „Die Berliner Mauer als politische Medienikone im 20. Jahrhundert.“ Mit seinen „Anmerkungen zur Vielschichtigkeit visueller Politik“ behandelte Dr. Benjamin Drechsel (Justus-Liebig- Universität Gießen) das Thema der Wandelung von Medienikonen wie der „Berliner Mauer“ und der bekannten Fotografie des DDR-Grenzsoldaten, der die mit Stacheldraht gesicherte Staatsgrenze überspringt. Die Grenzmauer war von Ulbricht und dem DDR-Regime als antifaschistischer Grenzwall bezeichnet worden, der, ähnlich wie die prominente große Mauer in China, den Feind massiv abwehren sollte. Im Westen dagegen diente die grobe, geradezu brutale Anmutung der Grenzmauer und der vorgelagerten Sicherungsanlage dazu, die DDR als ein großes Gefängnis zu beschreiben, dessen Bevölkerung zwangsweise „inhaftiert“ worden war. Durch die mediale Präsenz der Mauer als Symbol der Teilung wurde auch deren Abriss zu einer symbolischen Demontage des DDR-Regimes. Ungeachtet ihres Zustands diente sie in wechselnden Funktionen als politische Ikone zum Vereinfachen, Beglaubigen bzw. Sichtbarmachen politischer Mythen.

Dr. Jochen Staadt (Berlin) beleuchtete mit seinem Vortrag „Politische Ästhetik – Die Staatliche Kommission für Kunstangelegenheiten der DDR 1950 – 1953.“ die allmähliche Inanspruchnahme und Instrumentalisierung der Kunst in der DDR bis zur Gleichschaltung von Kunst und Kultur durch die SED-Diktatur und der Ausformung eines sozialistischen Realismus im Dienste der Partei.

Jens Guthmann (Frankfurt am Main) behandelte - nach einer Einführung von Prof. Grünewald zur kunstgeschichtlichen Herkunft des Totentanzes - in seinem Vortrag „Der Knochenmann im Dienst der Propaganda – Totentanzdarstellungen in der Zeit des Nationalsozialismus“ eine Reihe Arbeiten von Wilhelm Petersen (Illustrator des Mecki). Dessen Zeichnungen stammten aus der Zeit des Polenfeldzugs im 2. Weltkrieg, waren also kein geplanter Zyklus sondern eine zuerst subjektive, später auch propagandistische „Dokumentation“ dieses Feldzugs. Petersens Arbeiten entstanden nämlich im Rahmen seiner Tätigkeit bei der 13000 Mann starken Propagandakompanie der Wehrmacht und müssen heute – entgegen der Darstellung des Künstlers - der Kunst des Nationalsozialismus zugerechnet werden, wie offenbar auch ein Briefwechsel belegt.

Mit seinem Vortrag „Kunst und Politik. Die Reiterstatuette Karls des Großen aus dem Louvre im Wandel der Epochen“ erläuterte Prof. Dr. Ludwig Tavernier (Universität Koblenz-Landau) die Schwierigkeit der Bedeutungszuweisung von alten Bildwerken. Der mehrteilige Bronzehohlguss ist als ein Einzelstück aus seiner Zeit schwer einzuordnen. Ist es wirklich ein Bildnis Karls des Großen? Woher stammt es? Und wie ist es in seiner Funktion zu deuten, vor allem, wenn man die Ergänzungen und Vordeutungen aus der jüngeren Geschichte negiert? Tavernier machte an der der Darstellung der kunstgeschichtlichen Analyse, Umdeutung und Neubewertung dieses Standbildes anschaulich, dass kunstgeschichtliche Zuweisungen und Interpretationen auch durch gesellschaftliche Haltungen und die Ikonenwirkung historischer Personen beeinflusst wurde und wohl noch immer beeinflusst werden kann.

Mit dem Vortrag: „Kunst und Gesellschaft / Kunst und Politik: Hans Haacke“ von Prof. Dr. Christoph Zuschlag (Universität Koblenz-Landau) schloss sich der Kreis der Tagung: der Künstler Hans Haacke, der unter anderem für die eigenwillige Ausgestaltung des Deutschen Pavillons auf der Biennale in Venedig ausgezeichnet wurde und u.a. den Schriftzug „Der Bevölkerung“ im Berliner Reichstag entwarf, verkörpert alles andere als ein Sprachrohr der Politik, sondern deckt in so genannten „realzeitlichen Sozialsystemen“ gesellschaftliche Missstände auf, diskutiert sie und greift sie an, auch wenn er dafür Schmähungen erfahren muss. Er bildet damit den Kontrapunkt zu Anton von Werner, der wegen seiner ungebrochenen Glorifizierung des preußisch dominierten Kaiserreichs und seiner monarchistischen Haltung nach dem 1.Weltkrieg sein gesellschaftliches Ansehen verlor.

Ulrich Kuballa

Alle Fotos: Eberhard Grillparzer, 2009

http://www.blitzbrief.de/bdk-ingelheim-2009.htm.



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Last update 18.10.2009 10:56