Politik in Karikatur, Comic und Computerspiel
Eine Zusammenfassung der Beiträge der Fortbildungsveranstaltung von Dr. Ulrich Kuballa
Die Weiterbildungsveranstaltung des BDK – Fachverband für Kunstpädagogik, beleuchtete in diesem Jahr ein „sensibles Terrain: Politik und politische Botschaften in Karikatur, Comic und Computerspiel“, so lautete der Titel der Tagung (14. bis 16. Mai 2007, Fridtjof-Nansen-Akademie, Ingelheim). Prof. Dr. Dietrich Grünewald betonte in der Einführung, dass spätestens durch die heftigen Reaktionen auf die Mohammed-Karikaturen dänischer Karikaturisten im Februar 2006 klar wurde, dass unterschiedliche Kulturkreise verschiedene Toleranzschwellen bezüglich religiöser Satire aufwiesen. Die Frage Kurt Tucholskys: „Was darf Satire?“ lässt sich, erweitert man sie auf die Karikatur, heute offenbar nicht problemlos mit „Alles!“ beantworten.
Andreas Knigge (Comic-Publizist, Hamburg) bestätigte dies in seinem Einführungsvortrag. Anschaulich schilderte er die Genese dieses Karikaturenstreits, beschrieb die politischen Hintergründe, welche zur Entstehung und zum Abdruck der Karikaturen in einer konservativen, offenbar islamfeindlichen dänischen Tageszeitung führten, aber auch die offensichtlich System stabilisierende Funktion des religiösen Konflikts in fundamentalistisch geführten Systemen. Erst ein halbes Jahr nach dem Erscheinen der Karikaturen wurde der Konflikt systematisch aufgebaut.
Einen Gegensatz hierzu beschrieb Frau Prof. Dr. Gertrud Rösch (Universität Heidelberg) mit Ihrem Vortrag „Formen und Wirkung der Papstkarikaturen, oder: Wer guckt ’Popetown’?“. Sie zeigte an historischen Beispielen, wie die Person bzw. Instanz des Papstes in Karikaturen der Reformationszeit angegriffen und lächerlich gemacht wurde. Diesen Beispielen stellte sie die Sendung „Popetown“ gegenüber. Diese vom Musiksender MTV als provokant angekündigte Trickfilmserie zeigte in der Wahl der eingesetzten Mittel erstaunliche Parallelen zur Kritik in der Renaissance, allein: die zentrale Figur des Papstes, ein verblödeter Jugendlicher mit infantilen, normenwidrigen Verhaltensformen erschien so lächerlich, das er nicht als Ernst zu nehmende Karikatur des Papstes in Frage kam. Der platte „Blödsinn“ überwog offenbar so stark, dass die Serie - trotz großer Werbeanstrengungen und provozierter Skandale im Vorfeld - offenbar mangels Zuschauerinteresse schon nach Ausstrahlung der ersten Folge eingestellt wurde.
Das Thema der Gotteslästerung als Straftatbestand stellte Lutz Lemhöfer (Theologe und Politologe, Referent für Weltanschauungsfragen im Bistum Limburg, Frankfurt am Main) in seinem Tagungsbeitrag „Satire zwischen religiösem und politischem Tabubruch. Aktuelle Überlegungen am historischen Beispiel George Grosz“ dar. Grosz, der bereits wegen Angriffen auf die Wehrmacht und sexuell anstößiger Darstellungen verurteilt war, wurde 1928 wegen seiner Zeichnung „Christus mit der Gasmaske“ der Gotteslästerung bezichtigt. Im Prozessverlauf über mehrere Instanzen wurde Grosz’ Kunst vor allem angegriffen, da sie „nicht dem Volksganzen“, der propagierten Allianz von Gott und Nation, diente. Während die Staatsanwaltschaft beim Blasphemievorwurf blieb, argumentierte die Verteidigung differenzierter. Zwar sei die Darstellung des Christus mit Gasmaske aus ästhetischer Sicht abstoßend, das christliche Symbol des Gekreuzigten meine aber nicht Gott selbst, daher sei der Vorwurf der Blasphemie im Sinne des Gesetzes nicht erfüllt. Das Gericht folgte schließlich dieser Argumentation.
Prof. Dr. Walter Keim (Leiter der Pressedokumentation des deutschen Bundestags, Honorarprofessor Universität Münster) beschrieb im Folgenden das Verhältnis von „Politik und Karikatur“. Er stellte anhand statistischer Daten dar, dass Karikaturisten in Deutschland wenig Mitsprache und Einfluss in Zeitungsredaktionen haben. Durch Konkurrenzdruck und fehlende feste Anstellungen oder Bindungen an Verlage haben sie auf die Themenauswahl deutlich weniger Einfluss, sind in der Ausgestaltung ihrer Arbeiten weniger frei und sind finanziell und sozial schlechter gestellt als z.B. in den USA.
Dr. Antje Neuner-Warthorst (freiberufliche Kunsthistorikerin, Konstanz) lenkte den Blick in die deutsche Vergangenheit. Sie beschrieb die Situation des politischen Karikaturisten Walter Trier nach 1914 und 1933. Trier war während des ersten Weltkrieges Karikaturist und geriet im Laufe des Kriegs als Zeichner für die „Lustigen Blätter“ in die Situation eines propagandistischen Karikaturisten, der als Kriegsuntauglicher seinen „Kriegsdienst am Zeichentisch“ leistete. Er arbeitete danach in Deutschland sehr erfolgreich und illustrierte u.a. Bücher wie „Emil und die Detektive“. Trier war Österreicher, stammte aus einer deutschsprachigen Minderheit in Prag und war Jude. Auf diese Weise geriet er unter dem nationalsozialistischen Regime unter Druck und emigrierte nach England, wo er erfolgreich weiter arbeiten konnte.
Dr. des. Oliver Näpel (Universität Münster) beschrieb mit seinem Vortrag „Comic und Politik. Comics im Spannungsfeld deskriptiver Spiegelung und normativer Festigung politischer Strömungen“ das Medium Comic wegen seiner einfachen und einprägsamen Darstellungskonventionen als anfällig für propagandistische Zwecke. Bildergeschichten wurden als Vorläufer des Comics schon in der Antike zur Verächtlichmachung des Feindes eingesetzt. Eine Vorgehensweise, die sich in der Folge über die Reformationsstreitigkeiten und propagandistische Darstellungen des Kolonialismus bis zum Kalten Krieg und zum Nahost-Konflikt gehalten hat.
Als Beispiel für eine propagandistische Vereinnahmung wurde von Dr. Stefanie Diekmann (Kulturwissenschaftliche Fakultät der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder) im Vortrag „Bring in the Heroes“ der Umgang mit den amerikanischen Comic-Superhelden nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001 geschildert. Die zwei großen US-Comic-Verlage einigten sich auf eine einheitliche Positionierung: es ging um die angemessene Reaktion auf einen terroristischen Angriff. Die affirmative Funktion des Comics wurde eingesetzt, Comicfiguren zur Glorifizierung „realer Helden“ von Polizei und Rettungskräften instrumentalisiert, der (weiße, männliche) Amerikaner zum patriotischen Helden stilisiert, ein Vergeltungsschlag propagandistisch vorbereitet.
Markus Lohoff (Universität Koblenz-Landau) diskutierte im abschließenden Beitrag „Bildschirmspiele als Leitmedium der Zukunft. Ansätze einer politischen Instrumentalisierung von Computer- und Videospielen“ die Tendenzen einer zunehmenden Medialisierung des privaten Alltags und der Arbeitswelt. Computer, Spiele und das Internet bilden hierbei eine immer dichtere Verzahnung. Sie sind als Komplex schwer zu kontrollieren. Für Erzieher wird es dem zufolge immer schwerer, die Gefahren von Radikalismus, Pornografie, Pädophilie und Gewalt einzudämmen, zumal Computerspieler keine Einzelerscheinungen und keine Randgruppe mehr sind. Sie sind als Teil der Gesellschaft – nicht nur im asiatischen Raum – oft in so genannten eSport-Verbänden organisiert und möchten u.a. den eSport auch zu einer olympischen Disziplin machen. Jedermann ist durch das Internet potentieller Teil einer riesigen Gamer-Gemeinschaft. Computerspiele werden nicht nur benutzt, um in entsprechenden Szenarien politische Sachverhalte plakativ zu transportieren und verborgene Botschaften zu vermitteln. Der Taktik-Shooter „America’s Army“ wird sogar von der US-Armee gezielt zur Rekrutierung von Freiwilligen eingesetzt. Die Parallelwelt „Second Life“ – sie wird auch stark von Frauen besucht – ist eine virtuelle Welt, die den Aufbau einer zweiten Persönlichkeit in einer Kunstwelt ermöglicht, mit gigantischen Wachstumsraten. Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Scheinwirklichkeit sind dabei bereits fließend, so sind auch hier werbende kommerzielle Anbieter aber z.B. auch Pädophile aktiv. Der aktuelle und informative Überblick mit prägnanten Beispielen zu Entwicklungen der Computer-Internet-Spielewelt bildete den Abschluss der diesjährigen Tagung.