Fortbildung des BDK vom 22.-24.05.2006 im WBZ Fridtjof-Nansen-Haus
Wie wird aus politischer Wirklichkeit ein politisches Kunstwerk?
Eine Zusammenfassung der Beiträge der Fortbildungsveranstaltung von Dr. Ulrich Kuballa
Wie entsteht aus der Betrachtung und Erfahrung des Künstlers, aus seiner subjektiven Analyse einer politischen oder gesellschaftlichen Situation ein Bild, eine Plastik, ein architektonischer Entwurf oder ein Film? Unter dieser Leitfrage stand die diesjährige Weiterbildungsveranstaltung des BDK – Fachverband für Kunstpädagogik - in der Fridtjof-Nansen-Akademie Ingelheim (22. bis 24. Mai 2006), thematisch betreut von Prof. Peter Schubert.
Im Auftaktvortrag „Das Ende der Avantgarden – ein Ende der politischen Kunst?“ legte Prof. Dr. Klaus von Beyme (Institut für politische Wissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) dar, wie sich Künstler im Spannungsfeld politischer Systeme verhielten und wie solche Systeme Kunst ideologisch vereinnahmten. Dabei beleuchtete er die fehlende Akzeptanz für informelle europäische Kunst in Amerika, die Förderung der amerikanischen Moderne durch den CIA während des kalten Krieges, die schwierige Situation der Nachkriegskunst im geteilten Deutschland und die Probleme der russischen Avantgarde im stalinistischen Russland. Resümierend stellte er fest, dass sich die Avantgarde nach dem 2. Weltkrieg in ästhetische Einzelphänomene auflöste und hierdurch politisch unwirksam wurde.
Dr. Wolfgang Ullrich (Akademie der bildenden Künste, München) beschrieb die Vereinnahmung des einst wenig bekannten Bamberger Reiters und der Stifterfigur der Uta von Naumburg als politische Ikonen für den Nationalsozialismus. Beide Figuren waren bis dato unverbrauchte Bildsymbole und transportierten keine gesicherte individuelle Vorgeschichte. Diese historische Unbestimmtheit erlaubte eine geschickte mediale Aufbereitung als Beispiele für „reinsten Ausdruck deutschen Geistes“ und damit eine politisch motivierte Interpretation im Sinne des nationalsozialistischen Regimes. Eine Kindergeschichte, in welcher der Bamberger Reiter gleichsam den schützenden Parzival verkörperte, diente als eindrucksvoller Beleg für eine solche Tendenz. Die idealisierende fotografische Inszenierung der Einzelfiguren, die dabei ihrem Kontext entrissen wurden, und die gemeinsame fotografische Präsentation des Bamberger Reiters und der Uta von Naumburg machte beide Figuren gleichsam zu einem Paar von deutschen Archetypen im Sinne der NS-Ideologie. Durch die deutsche Teilung wurden auch Uta und der Reiter auseinander gerissen und sanken nach wenigen Jahren stärkster Beachtung ab in verhältnismäßige Bedeutungslosigkeit.
Mit einer Darstellung der verworrenen politischen Verhältnisse zu Lebzeiten der Künstlerlegende Peter Paul Rubens sowie einer eindrucksvollen Schilderung der politischen Aufgaben des als Diplomaten tätigen Malers fesselte Prof. Dr. Ulrich Heinen (Bergische Universität Wuppertal) seine Zuhörer. In seinem Vortrag „Rubens im Krieg. Engagement, Kunstprozess, Kunstwerk“ beschrieb er unter anderem die Funktion einzelner Bilder, die der Maler während seiner diplomatischen Einsätze anfertigte und – je nach Verlauf der geführten Verhandlungen – entsprechend formal und inhaltlich anpasste und damit das neue Verhältnis der verhandelnden Parteien neu formulierte. Heinen gab auch Einblick in durchaus unterschiedliche, private und offizielle, Lesarten und Interpretationen von Gemälden, die bereits beim Schaffen der Werke vom Künstler impliziert waren. So wird aus „Daniel in der Löwengrube“ der von Feinden und Neidern umgebene englische König, eine gequälte „Europa“ lässt sich anhand ihrer eigenwilligen Krone als eine Allegorie der Stadt Antwerpen identifizieren. An den Höfen konnte auf diese Weise – passend zur politischen Ausrichtung der empfangenen Gesandten – eine entsprechende Interpretation vermittelt werden. Die Mehrdeutigkeit solcher Werke war demnach vermutlich sogar erwünscht.
Privatdozentin Dr. Claudia Annette Meier (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) erläuterte die Geschichte um das im Jahr 1937 von Pablo Picasso erstellte Wandgemälde „Guernica“. In ihrem Vortrag „Bilder vom Krieg – zum Beispiel „Guernica“ – Seine bildlichen Voraussetzungen und Folgen“ schilderte sie den Zusammenhang zwischen den Bildinhalten und der Bombardierung des baskischen Ortes durch die Legion Condor und legte die ikonografischen Hintergründe des Gemäldes dar, das für den spanischen Pavillon der Pariser Weltausstellung 1937 gefertigt wurde.
Prof. Dr. Thomas Kirchner (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt) stellte in seinem Vortrag „Die politisierte Moderne – Der künstlerische Neuanfang nach 1945“ den Konflikt zwischen Realisten und informellen Künstlern im Deutschen Künstlerbund dar. Der Vorsitzende Karl Hofer, Direktor der HBK Berlin, kritisierte die ungegenständlichen Künstler und musste sich darauf von Prof. Gromann, einem Kunstgeschichtsdozenten seines Hauses, eine reaktionäre Haltung vorwerfen lassen. Hieraus entstand ein Streit, in dessen Verlauf Hofer schließlich nach einem Schlaganfall verstarb. Der Konflikt im Künstlerbund indessen setzte sich noch lange fort und verstärkte sich durch die politischen Verhältnisse im Nachkriegseuropa: Realisten waren im Westen als Kommunisten verschrien und ungegenständliches Arbeiten dominierte daraufhin die Westkunst. Anders als in den USA wurde die informelle Kunst in Europa nicht politisch vereinnahmt, im Osten dagegen wurde Abstraktion bis zum Ende des kalten Krieges als dekadent und elitär geächtet.
Prof. Dr. Jörn Düwel (HafenCity Universität Hamburg) beschrieb das Problem der Neugestaltung der Berliner Mitte nach der deutschen Wiedervereinigung. Der Titel seines Vortrags „Sehnsucht nach Mitte – zur Leere in Deutschlands Hauptstadt“ umreißt die Problematik: Was passiert mit dem Palast der Republik? Dem Herrschaftssitz eines Regimes, in der Bedeutungs-Mitte dieser ehemaligen Hauptstadt der Kaiserzeit und des Nationalsozialismus, für dessen Errichtung das Berliner Stadtschloss abgerissen wurde? Verbunden mit einem zentralen Aufmarschplatz für 400.000 Personen, mit Aufmarschstrassen für Paraden von 5 Stunden Dauer? Geplant als Schrein des Kommunismus, nach sowjetischem Vorbild, die Gebeine von Karl Marx eingebettet wie die Lenins in Moskau? Die gesamte Stadtgestaltung Berlins sollte auf diesen zentralen Ort hin ausgerichtet werden, allein aus ökonomischen Gründen konnten die z.T. gigantischen Pläne schließlich nicht verwirklicht werden. Im Nachvollzug der Geschichte dieses Areals legte Düwel die Problematik des heutigen Umgangs mit diesem Platz offen und schließt salomonisch mit der These, dass die Leere, die nach dem Abriss des Palasts der Republik derzeit für dieses Areal geplant (oder nicht geplant?) ist, auch ein möglicher sinnvoller Umgang mit diesem geschichtsträchtigen Ort wäre.
Prof. Dr. Wilhelm Hofmann (TU München, Lehrstuhl für politische Wissenschaft) beendete mit Anmerkungen zur filmisch-medialen Konstruktion politischer Realität in der Demokratie in seinem Vortrag „Das Kino der Macht – die Macht des Kinos“ die diesjährige Tagung.