Politische Ikonographie
Information - Agitation - Indoktrination
mit plakativen Bildern
Fortbildung des BDK vom 2.-4.05.2005 im WBZ Fridtjof-Nansen-Haus
Eine Zusammenfassung der Beiträge der Fortbildungsveranstaltung von Dr.
Ulrich Kuballa
Politische Ikonographie mit Tradition
Zum 25. Mal jährte sich in diesem Jahr die dreitägige Weiterbildungsveranstaltung
des BDK in der Fridtjof-Nansen-Akademie Ingelheim (2. bis 4. Mai 2005). "Politische
Ikonographie: Information - Agitation - Indoktrination mit plakativen Bildern"
- das Thema der Jubiläumstagung war, traditions--gemäß, auch
diesmal das Spannungsfeld von Kunst und Politik.
Die Reihe von sechs Vorträgen eröffnete Prof. Dr. Michael Diers (Hochschule
für Bildende Künste, Hamburg) unter der Überschrift: " Bilder,
die die Welt (be-)deuten". In Analogie zum Motto Friedrich Schillers, der
das Theater als "Bretter, die die Welt bedeuten" umschrieb, formte
Diers die These, dass in der heutigen multimedialen Weltbühne zwei unterschiedliche
Bildtypen unsere Weltsicht bilden, zum einen Bildwerke der Kunst, welche die
Welt deuten, da sie indirekt Bezug zur Wirklichkeit nehmen, zum anderen Medienbilder
(Presse-, Werbe- und Alltagsbilder), die explizit die Welt des Betrachters bedeuten.
Den Wechselbezug dieser Bildtypen stellte Diers an modernen Künstlern dar:
ausgehend von Pressefotos als Vorlagen, die, so Diers, durch ihre Farbigkeit
den Blick vermehrt auf Äußeres richten, erarbeitete der Künstler
Luc Tuymans Gegenbilder. Zu einem in verschiedenen Zeitschriften farbig publizierten
Bild von US-Soldaten im Palast Saddam Husseins zum Beispiel fertigte Tuymans
eine vergröbernde Grisaille an, schuf damit Distanz - und gleichzeitig
Spielraum, um Misstrauen gegenüber dem Medienbild zu entwickeln. Auch Thomas
Demand benutzte für seine Werke Inszenierungsstereotype oder Pressefotos
als Vorlage. Diese Fotos baute er z.B. in Papiermodellen nach und fertigte davon
großformatige Fotografien und Bilder als Hybridbilder. Wolfgang Tilmans
dagegen sammelte Archive, z.B. Bilder von Uniformierten, und reichte Reproduktionen
dieser Sammlungen unkommentiert an den Betrachter weiter. Auf abstraktem Weg
schließlich setzte sich Gerhard Richter mit Medienbildern und ihrer Aussagekraft
auseinander. Er kombinierte in seinem Buch "war cut" den kompletten
Text einer Tageszeitung vom Beginn des Irak-Krieges mit assoziativ ausgewählten
Fotoausschnitten aus einem seiner abstrakten Bildwerke.
Dr. Thomas Knieper (Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung,
München) gelang in seinem Vortrag "Politik als Bildlieferant: Bildproduktion
und Distribution im Spannungsfeld aus symbolischer Kommunikation, Pseudoereignissen
und Täuschungsstrategien" eine eindringlich klare Strukturierung des
Komplexes der "Medienbilder" und ihrer Funktion. Auf dem Weg von der
Bildquelle (der Bildidee bzw. dem der Umwelt entstammenden Bild) über das
Transferbild (dem Abbild) bis zu dem an das Trägermedium angepasste Medienbild
verändert sich das "Bild" unter verschiedenen Einflüssen
und Zielsetzungen. Täuschungsabsichten manifestieren sich oft bereits in
der Inszenierung durch abgebildete oder abbildende Personen bzw. in der Rekonstruktion
von Ereignissen, aber auch durch irreführende Kontextualisierung und Bildveränderung
bzw. das teilweise schon nicht mehr bemerkte Herstellen virtueller Welten. An
Beispielen wurde die Produktion bzw. Findung von Pseudoereignissen aus der politischen
Berichterstattung bzw. aus der politischen und kommerziellen Werbung dargelegt.
Prof. Dr. Burghard Schmidt (Hochschule für Gestaltung, Offenbach) behandelte
den "Kunstirrationalismus der Zwanziger Jahre mit politischer Auswirkung".
Er stellte dar, wie Intellektuelle dieser Zeit jenes, wohl aus den Wirren der
20er Jahre des letzten Jahrhunderts zu erklärenden, Phänomens des
Irrationalen bewerteten, das Gesellschaft und Kunst beeinflusste und letztlich
im Nationalsozialismus gipfelte. Während Georg Lucács die Kunst
des Dadaismus und Surrealismus als Auswüchse des Irrationalismus ablehnte,
so sah Bertold Brecht eben hierin ein Experimentierfeld für neue Darstellungstechniken,
eine Notwendigkeit, da die alten künstlerischen Techniken die neue Zeit
nicht mehr angemessen darstellen konnten. Ähnlich sah auch Ernst Bloch
den Irrationalismus, nämlich als Entwurfsfeld für die Entwicklung
einer neuen Zukunft. Im Surrealismus von André Breton zum Prinzip erhoben,
wurde das Irrationale schließlich auch Gegenstand der Psychoanalyse von
Sigmund Freud.
Unter dem Titel "Zwischen roter Gefahr und atomarer Bedrohung: der Tod
im politischen Plakat - ein Überblick" zeigte Dr. Johannes Kamps (freier
Mitarbeiter des Deutschen Filmmuseums Frankfurt) zahlreiche Beispiele aus der
Plakatkunst des 20. Jahrhunderts, welche als verbindendes Motiv die Darstellung
des Todes in wandelnder Bedeutung in sich trugen.
Dr. Beate Reese (Museum im Kulturspeicher, Würzburg) legte in ihrem Vortrag
"Mensch und Masse in der sozial engagierten Kunst der 1920er Jahre"
dar, wie die engagierte Kunst der Weimarer Republik auf das neue Phänomen
der Masse reagierte. Im Schwerpunkt standen dabei die Künstler der Novembergruppe,
der sog. Tendenzkunst bzw. der Kunst des Widerstands, v.a. Grosz, Beckmann,
Barlach, Dix und Heartfield, welche sich gegen "Formalkrämerei"
der immer stärker aufkommenden Abstraktion wendeten. Das Spektrum der Bildthemen
reichte dabei u.a. vom Individuum als irrem Außenseiter über hoffnungslose
Streichholzverkäufer zum Schieber als Machtmenschen, von vereinsamten Bahnwärtern
über Demonstrationsbilder zu Angstbildern vor einer anstürmenden Menschenmasse.
Das alte Thema der Masse in der Kunst erhielt in diesen Bildern einen modernen
Sinn, zum einen als Großstadtthematik, Menschenmenge, Hetze, zum anderen
als das Anwachsen der Industriearbeiterschaft zur gesichtslosen, eine lebendige
Volksgemeinschaft verdrängenden Masse.
Prof. Dr. Martin Warnke (Hamburg) beschrieb "Die Organisation der Bildpropaganda
im Ersten Weltkrieg" in Deutschland. Anhand ausgewählter Beispiele
von Propagandamaterialien - Postkarten, Plakaten, Medaillen, Künstlerflugblättern
- beschrieb er, wie sich in Deutschland mit fortschreitendem Kriegsverlauf ein
Wechsel in der Einschätzung der Bedeutung von Propaganda vollzog. Auch
über den Verlauf der staatlichen Lenkung von Propaganda und der Institutionalisierung
von Propagandaeinrichtungen nach 1916 gab er einen Einblick. Die im Krieg tätigen
Institutionen des Reichsaufklärungsdienstes und des Kriegspresseamts wurden
durch die der Reichskanzlei unterstehenden Zentrale für Heimatdienst unterstützt.
Diese Vorläuferinstitution des heutigen Bundesamts für politische
Bildung diente ausschließlich der Binnenpropaganda und hatte auch nach
dem Krieg über Lichtbildvorträge einen weiten Wirkungskreis. Wohl
nicht zuletzt wegen ihrer Wirksamkeit existierte diese Zentrale auch nach 1933
unter nationalsozialistischer Regie weiter.
Mit einem kurzen Resümee zu den zum Teil kontrovers diskutierten Beiträgen
beendete Tagungsleiter Prof. Dr. Dietrich Grünewald (Universität Koblenz-Landau)
diese Veranstaltung, deren Zustandekommen noch im Vorjahr gefährdet schien.
Wegen des drohenden Wegfalls von Fördergeldern war eine Fortsetzung dieser
vom BDK-Landesverband Rheinland-Pfalz und der Fridtjof-Nansen-Akademie für
politische Bildung Ingelheim organisierten und getragenen Veranstaltungsreihe
zunächst fraglich. Doch trotz gestiegener Teilnahmegebühren war die
Veranstaltung auch in diesem Jahr wieder sehr gut besucht: ein Qualitätsbeweis
und ein guter Start für hoffentlich weitere 25 Jahre!
Dr. Ulrich Kuballa
bdk-ingelheim-2005.htm
FRIDTJOF-NANSEN-AKADEMIE FÜR POLITISCHE BILDUNG INGELHEIM
im Weiterbildungszentrum Ingelheim
Fridtjof - Nansen Haus 55218 Ingelheim am Rhein
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